Nibelungenbrücke

Das stadtseitige Ende der Linzer Nibelungenbrücke ist ein zwiespältiger Erinnerungsort. Die Brücke heißt immer noch so, wie sie im Nationalsozialismus benannt wurde, nach dem germanischen Held*innenepos. Seit 1985 erinnert eine steinerne Gedenktafel an die „Vertreibung der Sudetendeutschen 1945“. Sie wurde von der Sudetendeutschen Landsmannschaft errichtet, ein Vertriebenenverband, der der rechtsextremen Szene nahesteht1. 2019 wurde in der Nähe eine Hinweistafel für den Audiospaziergang Steingeschichten angebracht, die fragt: Wer entscheidet, an wen erinnert wird? Welche Geschichten haben sich in die Nibelungenbrücke eingeschrieben?

Steingeschichten ist eines von vielen Projekten, die versuchen, die anderen Erinnerungen zum Vorschein zu bringen, die hier lange Zeit verdeckt und vergessen wurden: Zum Beispiel an die Zwangsarbeiter*innen, die am Bau der Nibelungenbrücke 1938-1940 beteiligt waren2; an Juden und Jüdinnen, die aus der Stadt vertrieben und zum Großteil ermordet worden sind; an KZ-Häftlinge, die in meistens tödlicher Zwangsarbeit Granit abbauen mussten, der teilweise für die Donauuferbebauung verwendet wurde; und an all die Zwangsarbeiter*innen und Häftlinge, die eingesetzt worden sind, um die brutale Infrastruktur der Ausbeutung und der Vernichtung aufrechtzuerhalten, von der die Nibelungenbrücke und die Bauten des Donauufers Produkte sind. Mika Bankomat schreibt für das Projekt Collapse through Conformity über die Nibelungenbrücke: „Die Geschichte des Materials wird durch eine maskierende Neubesetzung abgelöst.“3

Diese Maske muss zerstört werden. Die verdrängten Geschichten müssen gehört werden. Wir werden mit einer Sammlung von Spuren den Lärm der Nibelungenbrücke und des Vergessens übertönen.

1 URL: https://www.doew.at/cms/download/6or5r/peham_burschenschaften.pdf (S. 10, aufgerufen am 31.1.2025)

2 https://www.ooegeschichte.at/media/migrated/bibliografiedb/gutachtenbrueckenkopf_hermann_rafetseder_2009.pdf (aufgerufen am 18.2.2025)

3 https://michaelalaborativ.wixsite.com/mika/collapse-through-conformity (aufgerufen am 18.2.2025)

Villa Ostende

Sex-Zwangsarbeit war Zwangsarbeit!

In Bordellen in NS-Konzentrationslagern wurden Frauen ab 1942 zur Arbeit gezwungen. Ihre Arbeit war Teil eines Belohnungssystems für andere Zwangsarbeitende. Mit der Etablierung von Sex-Zwangsarbeit steigt die Zahl der Zwangsabtreibungen und Zwangssterilisationen. Trostfrauen. Belohnung und Beschwichtigung um die Zwangsarbeiter bei Laune zu halten. Sexualisierte Gewalt als systematische, militärische Strategie. Das Bordell Villa Nova nahe der Hermann-Göring-Werke war eines der ersten. Das Sex-Zwangsarbeit eine Form von Zwangsarbeit ist, die oft nicht erwähnt oder als solche anerkannt wird, ist ein Narrativ das zum Widerstand aufruft! Keine Wiedergutmachung! Diese Frauen werden offiziell nicht als Opfer anerkannt. Ihnen wird zugeschrieben, diese Arbeit freiwillig gemacht zu haben, zum Erhalt von Privilegien oder um ihren „asozialen“ Trieben nachzugehen. Diese Stigmatisierung fand auch unter den KZ Gefangenen statt. Das gängige Prinzip des Schweigens und Verdrängens nach der Befreiung vom NS-Regime greift hier besonders tief und weitreichend und hat auch auf die heutige Stigmatisierung von Sexarbeiter*innen Einfluss.

Die Villa Ostende ist eines der ältesten Laufhäuser in Linz. 1920 eröffnet. In den 90er Jahren übernahm es die Domina Frau Eva. Sie forderte schon Anfang der 90er eine Sexarbeiter*innen-Gewerkschaft. Mit einem Meta-Wurf schaffen Mika und Leo eine Verbindung zwischen diesen beiden Narrativen der eine klare Botschaft hat: Sexarbeit ist Arbeit!


Leo Dressel
Wenn ein Ort oder ein Thema mich etwas angeht, dann fühle ich mich verantwortlich, nachzuforschen und Stimmen hörbar zu machen, die davon erzählen. Es gibt Geschichten, die erzählt werden müssen. Durch das Erzählen und Hören von Geschichten, über Stimmen, über den Klang, über körperliche Präsenz oder über ein Objekt im Raum, können Ordnungen durcheinandergebracht werden. Mich interessieren die Momente, in denen das möglich wird.