Kollaps durch Konformität
Nibelungenbrücke
Soldaten überqueren eine Brücke. Sie marschieren im Gleichschritt. Der Gleichschritt dient der Synchronisierung. Die Gleichschaltung erleichtert das Vorankommen. Die innere und äußere Kontrolle der marschierenden Füße geht jedoch verloren, wenn dieser Einklang auch auf die Brücke übergeht. Die Tritte der Soldaten traf die Eigenfrequenz der Brücke. Sie gerät in Schwingung und synchronisiert sich mit den Überquerenden. Es kommt zur Resonanzkatastrophe und die Brücke stürzt ein. Die Resonanz, ausgelöst durch eine Berührung, führt zum Kollaps des Materials. Kollaps durch Konformität.
Dieser Beitrag behandelt die Nibelungenbrücke als spekulatives Objekt. Ein Objekt aus Granit. Jedes Material hat eine geschichtliche Verortung. Politik der Materialität. Der Granit der Nibelungenbrücke wurde unter Zwangsarbeit im NS-Regime in den nahegelegenen Steinbrüchen abgebaut. Tod durch Arbeit.
Die Granitformation hält den sie überquerenden Schritten stand, egal in welche Richtung sie gehen. Als Abdruck bleibt eine Synthese, die ihre eigenen Störgeräusche produziert, doch diese lange nicht mehr wahrnimmt. Jedes Material hat eine Eigenfrequenz, bei der es anfängt zu oszillieren. Mika Bankomat beschallt zusammen mit Leo Dressel die Brücke mit ihren eigenen Störgeräuschen. Diese auditive Berührung untersucht das Rauschen (Noise) als Teil der Kybernetik (das dort als tragendes Element für die Dysfunktionalität von Systemen gilt) auf sein widerständiges Potenzial. Das Rauschen bringt dabei das System ins Schwanken und provoziert den Kollaps. Der Katastrophen-Moment. So wird das Material selbst zum erzählenden Protagonisten.
Villa Ostende
Sex-Zwangsarbeit war Zwangsarbeit!
In Bordellen in NS-Konzentrationslagern wurden Frauen ab 1942 zur Arbeit gezwungen. Ihre Arbeit war Teil eines Belohnungssystems für andere Zwangsarbeitende. Mit der Etablierung von Sex-Zwangsarbeit steigt die Zahl der Zwangsabtreibungen und Zwangssterilisationen. Trostfrauen. Belohnung und Beschwichtigung um die Zwangsarbeiter bei Laune zu halten. Sexualisierte Gewalt als systematische, militärische Strategie. Das Bordell Villa Nova nahe der Hermann-Göring-Werke war eines der ersten. Das Sex-Zwangsarbeit eine Form von Zwangsarbeit ist, die oft nicht erwähnt oder als solche anerkannt wird, ist ein Narrativ das zum Widerstand aufruft! Keine Wiedergutmachung! Diese Frauen werden offiziell nicht als Opfer anerkannt. Ihnen wird zugeschrieben, diese Arbeit freiwillig gemacht zu haben, zum Erhalt von Privilegien oder um ihren „asozialen“ Trieben nachzugehen. Diese Stigmatisierung fand auch unter den KZ Gefangenen statt. Das gängige Prinzip des Schweigens und Verdrängens nach der Befreiung vom NS-Regime greift hier besonders tief und weitreichend und hat auch auf die heutige Stigmatisierung von Sexarbeiter*innen Einfluss.
Die Villa Ostende ist eines der ältesten Laufhäuser in Linz. 1920 eröffnet. In den 90er Jahren übernahm es die Domina Frau Eva. Sie forderte schon Anfang der 90er eine Sexarbeiter*innen-Gewerkschaft. Mit einem Meta-Wurf schaffen Mika und Leo eine Verbindung zwischen diesen beiden Narrativen der eine klare Botschaft hat: Sexarbeit ist Arbeit!
Mika Bankomat arbeitet an der Grenze zur Unprofessionalität. Phasenweise unproduktiv absolvierte sie 2019 mit Auszeichnung die Akademie der Bildenden Künste in München. Seit 2020 ist ihr Arbeits- und Lebensmittelpunkt Linz, wo sie als Künstlerin, Musikerin, Infragestellerin, professional troublemaker, Barkeeperin, Distortion und Veranstalterin tätig ist. In ihren konzeptuellen Arbeiten wird die Erörterung gesellschaftspolitischer Strukturen übertragen auf konkrete Orte, Materialien und physikalische Phänomene. Ihre auditiven Annäherungen an Soundstrukturen prüfen diese auf ihre politische Schlagkraft. Dabei ist sie mit einem musikalischen Fokus auf Disharmonie, Antimusik, Noise und Verwirrung in verschiedenen Gruppierungen aktiv.